Dieses belgische Gerichtsdrama fragt unerbittlich nach dem Wahrheitsgehalt eines winzigen Satzes: «Wir glauben Euch.» Was heisst es, wenn ein Gericht dies einem Teenagermädchen und seinem jüngeren Bruder gegenüber versichert, die ihren von der Mutter geschiedenen Vater partout nicht mehr sehen wollen, seit dieser dem Jungen etwas so Schlimmes angetan haben soll, dass er es nicht aussprechen kann, aber massive körperliche Symptome zeigt? Und was heisst es, wenn der Vater auf seine Unschuld und seinem Kontaktrecht pocht? Es heisst, dass das Gericht irgendwann alle Betroffenen zur gemeinsamen Anhörung vorlädt: die Anwält:innen des Vaters, der Mutter und der Kinder, schliesslich Vater und Mutter selbst – während die Kinder in einem Nebenraum warten, was die Erwachsenen entscheiden. Genau das geschieht in diesem Film während einer vollen Stunde, und jede der fünf Aussagen ist eindringlich, wirkt authentisch, glaubwürdig, bisweilen erschütternd, weil das Drehbuch- und Regiegespann offensichtlich reale Fälle gewälzt und alle Figuren exzellent besetzt hat. Doch der Film leistet noch mehr: Er zeigt, wie unerhört schwierig die Wahrheitsfindung in solchen Fällen ist. Und er wird getragen von der vorsichtigen Zuversicht aller Rechtsprechung, seit die Aufklärung rationale und transparente Verfahren dafür etabliert hat: So langwierig und schmerzhaft sie für alle Beteiligte sind, so werden sie den Nebel der widersprüchlichen Aussagen doch lichten. Am Ende von On vous croit steht kein Urteil, doch ahnt man, wer Recht hat und bekommen wird. Kein Feel-Good-Film also, sondern einer, der Klarheit schafft und damit etwas ungleich Wichtigeres.