Andrea Segre, Italien, 2024o
Enrico Berlinguer, der charismatische Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens (PCI), grenzt sich in den frühen 1970er Jahren vom sowjetisch geprägten Sozialismus ab und versucht, ihn mit westlichen Demokratievorstellungen zu versöhnen. In einer gespaltenen Welt setzt er sich für die Überwindung der Dogmen des Kalten Krieges ein und beginnt gegen alle Widerstände einen Dialog mit Aldo Moro, dem Chef der Christdemokraten. Doch was wird aus seinem „historischen Kompromiss”, als Moro von den roten Brigaden entführt wird?
In einer Zeit, in der die Linke nicht mehr weiss, an welcher Front sie ansetzen soll kommt ein Biopic über Enrico Berlinguer, den charismatischen Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens von 1972 bis zu seinem Tod 1984, wie gerufen. Wir wollen hier nicht darüber streiten, ob sein Reformansatz richtig war – der gewiefte politische Stratege setzte auf den Zugang seiner Partei zur Macht durch einen „historischen Kompromiss“ mit den christdemokratischen Konservativen. Das politische Gewicht der damaligen PCI gibt heute, da Giorgia Meloni und ihre Gefolgsleute die Macht unter sich aufteilen, auf alle Fälle zu denken. Selbst wenn man den Ideen der Linken wenig abgewinnen kann, lohnt sich La grande ambizione zudem aus filmischen Gründen. Andrea Segres Porträt eines Mannes und seiner Ideen konzentriert sich auf die Jahre zwischen Berlinguers Besuch in Bulgarien 1973, wo er bei einem seltsamen Autounfall, der wie ein Attentat aussah, fast ums Leben kam, und 1978, dem Jahr der Entführung und Ermordung des christdemokratischen Politikers Aldo Moro durch die Roten Brigaden. Dank einer geschickten Dramaturgie gelingt es dem italienischen Regisseur, die politische Entwicklung nachzuzeichnen, ohne in Didaktik und Sensationslust zu verfallen, die Skylla und Charybdis des Biopics. Leichtfüssig wechselt der Film zudem zwischen Berlinguers öffentlichem und privatem Leben. Die Szenen über die zärtliche Beziehung zu seiner Frau und zu seinen Kindern machen die Politik nicht zur «People-Story», sondern zeigen den Menschen hinter dem Politiker, den Elio Germano zudem meisterhaft verkörpert. Kurz: Auch als Film wird Berlinguer der grossen Ambition in seinem Titel vollauf gerecht.
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